Richard Wagner VerbandKarlsruhe e.V. |
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Richard Wagner und Karlsruhe
Das Großherzogliche Hoftheater Karlsruhe (Bild: Stadtarchiv Karlsruhe)
Sinndefizite bedürfen der Auffüllung und die ästhetische Kultur, d.h. die Kunst, wird zum Träger dieser Funktion: "Sie nimmt, bis dahin unerhört, einen zentralen Platz im bürgerlichen Leben, ja in der Lebensbilanz ein (...). Sie stiftet Sinn oder legt ihn dar, sie nimmt teil an dem neu in Gang gesetzten Prozess der Auseinandersetzung von Individuum und Welt" (Thomas Nipperdey). Besonders deutlich wird dies bei Wagner: selbst Mitglied der "Gemeinde" Schopenhauers, schafft er sich durch sein Werk eine eigene. Der "Meister" als Messias, seine Kunst als Religion mit Bayreuth als zentralem Wallfahrtsort und Karlsruhe, unter der Ägide Felix Mottls dann später das "Klein-Bayreuth", eine wichtige Kulturstätte.
Im November 1863 wohnte Richard Wagner im Gasthaus
"Zum Englischen Hof" in Karlsruhe (Bild: Stadtarchiv Karlsruhe)
Die neue Funktion der Kunst ist ohne den Wandel ihrer Träger, ihres Publikums, nicht denkbar; der Prozess ihrer "Verbürgerlichung" beginnt und führt sie heraus aus jener traditionellen Bindung an die Welt des Adels, der Fürstenhöfe und der Kirche. Sie verliert ihren dienenden Charakter - sei es den eines angenehmen Zeitvertreibs, eines Ergötzens höfischer Gesellschaften der den einer Verherrlichung der Religion, des Glaubens. Kunst für ein bürgerliches Publikum ist nicht mehr länger Nebensache, Beiwerk, sondern etwas Eigenständiges, etwas Wesentliches, etwas, das sein eigenes Gewicht besitzt, sie ist eine Sache, die ihren Wert in sich selbst trägt. Bei Wagner wird dieses neue Kunstverständnis vielleicht am deutlichsten, er ist nachgerade seine Inkarnation. Sein Werk erhebt universalen Anspruch, es ist von bisher unbekannter Totalität. Ein solches Opus bedarf, um sich durchzusetzen, eines neuen Publikums, das sich in einem Schöpfungsakt selbst zeugen und gebären muss. In dieser Situation wird die badische Residenz, werden Großherzog Friedrich I. und seine Frau Luise zu Hoffnungsträgern. - Kann Wagner an den frühen Erfolg des "Tannhäusers" im Jahre 1855 in Karlsruhe anknüpfen?
"Große Musikaufführung" in Karlsruhe mit Richard Wagner, 14.11.1863
(Bild: Badische Landesbibliothek)
Der traditionelle Künstler, ein in die ständische Gesellschaft eingebundener Handwerker, liefert Auftragsarbeit, er produziert im allgemeinen für Kirche und Adel. In der Regel in seinen Beruf hineingeboren, ausgebildet nach den "Regeln" der jeweiligen Kunst. Kunst mit Universalitätsanspruch ist ihm fremd, nicht vorstellbar. Dazu bedarf es der Emanzipation: Erst als sich der Künstler als Individuum begreift, als autonomes Wesen, wird solches möglich. Der Künstler wirkt nunmehr aus sich heraus, er tritt in Gegensatz zur ihn umgebenden Gesellschaft. Sein Werk bedarf nun auch der theoretischen Reflexion, der Rechtfertigung; es kommt zu jenen zeittypischen "Glaubenskämpfen" zwischen den verschiedenen Kunstrichtungen.
Der Zwang zur Originalität, denn diese wird zum Maßstab und zur Messlatte künstlerischer Qualität und Größe, bedingt den Bruch mit den tradierten Werten. Der Künstler - in der Musik vor allem eben Wagner, aber auch Liszt - begreift sich als Avantgardist. Sich aus beengenden Ketten und Fesseln zu befreien, ist für Richard Wagner existentiell, seine Beteiligung am gescheiterten Maiaufstand des Jahres 1849 auch ein Zeichen, dass er die zur Kleinheit zwingende Ordnung und Enge nicht erträgt. Zur Flucht genötigt, steckbrieflich gesucht erschien ihm, dem Umherirrenden, Karlsruhe "zeitweise wie ein Leuchtturm, vorübergehend sogar wie ein Hafen" (Werner Schulz). Letztendlich aber setzt sich die Erkenntnis durch, dass sich auch hier seine künstlerischen Vorstellungen nicht in der angestrebten Vollkommenheit realisieren lassen. Der Plan, sich in der Stadt niederzulassen, wird obsolet. - Warten auf Ludwig II., warten auf Bayreuth, heißt es nun.
Badisches Staatstheater Karlsruhe
Später dann, nach Wagners Tod, sind jahrelang keine Festspiele ohne Mitwirkung von Solisten, Chor- und Orchestermitgliedern des Karlsruher Hoftheaters denkbar. Kein Wunder, pflegt man doch an der hiesigen Oper das Werk des "Meisters" in einem solchen Maße und mit einem solchen Erfolg beim Publikum, dass wie C. Amend (und nicht nur er allein) noch 1914, zehn Jahre nach dem Ende der Ära Mottl immerhin, klagt, dieses nicht im wünschenswerten Umfang, "den Weg von den musikalischen Grausamkeiten Richard Wagners fort zu der reinen, lichten Welt Mozartischer Musik" gefunden habe. Wagner und Karlsruhe - aber heute noch bzw. wieder eine höchst lebendige Beziehung.
Ring des Nibelungen, Gesamtaufnahme der Badischen Staatskapelle
Sein Opus, wie sonst kaum irgendwo, ein fester Bestandteil des
Repertoires des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Eine eigene
Ring-Einspielung mit Generalmusikdirektor Neuhold 1994/95 gibt davon
beispielhaft Zeugnis.
Ist Karlsruhe also erneut zu einem "Klein-Bayreuth" geworden oder auf dem Wege, eines zu werden? Das Kapitel der Verbindung zwischen Wagners Werk und der Stadt ist jedenfalls noch längst nicht abgeschlossen. Dafür sorgt auch stets der verdienstvolle Einsatz des Richard Wagner Verbandes Karlsruhe in vielfältiger Weise.
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